Europäische Kooperation bei der Ausbildung von Winzern
EQ Wine

Über Jahrzehnte war der Kontakt zwischen den europäischen Weinbauschulen hervorragend. Etwa jedes zweite Jahr gibt es ein Treffen des Netzwerks der Europäischen Weinbauschulen, es gibt einen Praktikanten/Studierenden-Austausch und in der Ausbildung gehören Lehrfahrten inzwischen zum Standardprogramm. Viele Erfahrungen wurden auch im Austausch unter Lehrern gesammelt oder in Verkostungswettbewerben zwischen Schülern.
Nachdem die Lernstandards EQF und ECVET ein aktuelles Thema der bildungspolitischen Diskussion sind, wurde deshalb die Idee geboren, vorhandene Kontakte und Erfahrungen zu nutzen, um Lern- und Trainingsinhalte auszutauschen und diese gegenseitig anzuerkennen. Deshalb haben sich acht Weinbauländer, vertreten durch jeweils eine Weinbauschule zusammen gefunden, um eine gemeinsame Grundlage in der Ausbildung von Winzern und Oenologen zu finden und gegenseitig Trainingseinheiten durchführen zu können.

ECVET – Europäisches Punktesystem für Berufliche Bildung

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Die Europäische Kommission verfolgt bereits seit einigen Jahren das Ziel, die Mobilitätsrate von Jugendlichen während der beruflichen Ausbildung zu erhöhen. Während es an Universitäten schon fast selbstverständlich ist, dass Studierende ein oder zwei Semester an einer ausländischen Hochschule verbringen, ist die Zahl „mobiler“ Lernender aus berufsbildenden Einrichtungen eher gering. Auch in Deutschland sind Mobilitätsaufenthalte von Auszubildenden und Studierenden der Fach- und Technikerschulen eher die Ausnahme als die Regel. Vor allem längerfristige Auslandsaufenthalte, d.h. solche, die über zwei bis drei Wochen hinausgehen, gibt es vergleichsweise selten.
Das mag viele Gründe haben: Das Alter der Lernenden kann dabei genauso eine Rolle spielen, wie die fehlenden Strukturen (etwa eine zentrale Mobilitätskoordinierungsstelle) oder auch die sprachliche Barriere. Ein wesentlicher Hinderungsgrund liegt aber im geringen Verständnis ausländischer Bildungssysteme, -programme und -inhalte. Die Vielfalt der Berufsbildung in Europa, die Ausdruck der unterschiedlichen Kulturen und Traditionen der einzelnen Länder ist, erschwert die Vergleichbarkeit von Bildungsangeboten und führt dazu, dass junge Menschen kaum die Chance auf einen kurzfristigen Auslandsaufenthalt zu Lernzwecken wahrnehmen. Dabei wäre gerade ein solcher Aufenthalt von großem Wert für die Jugendlichen – könnte er doch nicht nur zu ihrer persönlichen Weiterentwicklung beitragen, sondern auch ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt steigern.
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Gerade aus diesen Gründen forciert die Europäische Kommission seit einigen Jahren die Entwicklung von Transparenzinstrumenten, die zu einem besseren Verständnis der beruflichen Bildung in anderen Ländern und damit zu mehr transnationaler Mobilität beitragen sollen. Ein solches Instrument ist ECVET, zu dem die Kommission im Juni 2009 eine vom Europäischen Parlament und vom Rat angenommene Empfehlung herausgegeben hat. ECVET steht für European Credit system for Vocational Education and Training, zu Deutsch, Europäisches Leistungs¬punkte-system für die berufliche Bildung. Die deutsche Bezeichnung greift fast ein bisschen zu kurz, denn ECVET ist mehr als „nur“ Leistungspunkte. ECVET ist vielmehr eine „toolbox“, ein „Werkzeugkasten“, der „Werkzeuge“ enthält, mit deren Hilfe die transnationale Mobilität von Lernenden in der beruflichen Bildung erleichtert werden soll.
Natürlich ist es auch ohne ECVET möglich, Auslandsaufenthalte im Rahmen von Bildungsprogrammen durchzuführen. Auch jetzt schon können Lernende für eine bestimmte Zeit ins Ausland gehen, um dort ihre berufliche Ausbildung temporär fortzusetzen. Der Mehrwert von ECVET liegt allerdings darin, „Werkzeuge“ zur Verfügung zu stellen, die die Abwicklung der Mobilität und die Anerkennung des im Ausland Gelernten im Inland erleichtern sollen.
ECVET basiert im Wesentlichen auf einer strukturierten Beschreibung einer Qualifikation in so genannten Einheiten von Lernergebnissen, die durch einen numerischen Zusatz – den ECVET-Punkten – näher spezifiziert werden. Auf Basis dieser strukturierten Beschreibung, die eine Art „gemeinsame Sprache“ im Rahmen von Mobilitätsaufenthalten bildet, werden zwischen den beteiligten Bildungseinrichtungen Vereinbarungen getroffen, die die Anerkennung von im Ausland erworbenen Kenntnissen und Fertigkeiten im Inland sicherstellen sollen. Dadurch soll dem/der mobilen Lernenden ein Wiederholen von Prüfungen oder eine Verlängerung der Ausbildungszeit im Inland erspart bleiben.

Projektunterlagen

Welche Projektergebnisse sind mit EQ Wine machbar?

Folgende Ergebnisse sind im Projekt erarbeitet worden:

  • Vorschlag für ein europäisches Curriculum-Netzwerk
  • Wissens- und Fertigkeitenkatalog für Weinbau und Oenologie
  • standardisierte theoretische und praktische Prüfungsaufgaben
  • Trainingseinheiten für Schülergruppen aus unterschiedlichen europäischen Ländern
Alle Ergebnisse beziehen sich auf den EQF-Level 4, der der deutschen Gehilfenprü-fung entspricht. Die ersten drei Ergebnisse wurden mit allen Projektpartnern abge-stimmt. Für die Erarbeitung von Trainingsmodulen wurden Kleingruppen mit zwei bis drei Partnern aus dem Projekt gebildet. Es wäre unrealistisch gewesen, zu glauben, dass sich in diesem ersten Schritt der Harmonisierung alle acht Nationen auf ein The-ma hätten einigen können. Neben der Sprachbarriere mussten schließlich alle Lerninhalte, Prüfungsaufgaben sowie ein gemeinsamer Wissenskatalog bis ins Detail abgestimmt werden.

Auf welchem Stand befindet sich das Projekt?

Die Arbeiten sind von allgemeinen Grundlagen bis zu den Details vorangeschritten. Auf diesem Weg wird der Fortschritt langsamer, die Unterschiede der jeweiligen Mitgliedsländer größer sowie die Probleme komplexer. Grobe Beschreibungen, was Winzer und Oenologen gemäß des EQF-Levels 4 wissen müssen, wurden schnell abgestimmt. Längere Diskussionen entspannten sich um die Frage, welche Fakten für den detaillierten Wissens- und Fertigkeitenkatalog notwendig sind. Bei der Erarbeitung von dazu passenden Prüfungsaufgaben wurden diese noch intensiver, obwohl dazu Kleingruppen gebildet wurden.
Für das Spitzenprodukt von EQ Wine, ein international abgestimmtes Übungsmodul gilt das gleichermaßen: Der grobe Rahmen war schnell festgelegt. Die Details machen die Probleme. Das liegt vor allem daran, dass die Prüfung standardisiert sein muss und jedes Land sich auf ein anderes verlassen können muss.

Wie kann EQ Wine die künftige Ausbildung beeinflussen?

Im Partnerschaftsprojekt waren keine Mittel für einen direkten Schüleraustausch vorgesehen. Trotz der Bemühungen, zumindest ein Trainingsmodul während der Projektlaufzeit zu organisieren, wird das erste Modul erst im Herbst 2013 stattfinden: Ungarn und Slowenien organisieren ein zweiwöchiges gemeinsames Sensorik-Seminar.
Österreich, Deutschland und Spanien erarbeiten beispielsweise eine Trainingswoche zur Weinfiltration und Abfüllung: Kurse mit 20 Schülern, von denen zehn einheimisch sind und je fünf aus einem der Partnerländer stammen. Die Unterbringung erfolgt im Internat oder bei Gastfamilien. Unterrichtssprache ist Englisch: das fachpraktische Thema mit wenig komplizierten Fachbegriffen verringert dabei das Sprachproblem. Während der Testphase wird ein Englischlehrer die Gruppe im Fachunterricht begleiten.

Dafür wurden drei Lernziele ausgearbeitet:

  • Auswahl eines geeigneten Filtersystems (aus fünf verschiedenen)

  • Handhabung der fünf Filtrationsmethoden
  • Handhabung einer Abfüll- und Etikettiermaschine
Für die Unterweisung sind jeweils 27 Stunden und zur Prüfung weitere 9 Stunden geplant. Dazu kommen noch 12 Stunden für Fachexkursionen, denn ein Auslandsaufenthalt soll natürlich mehr Eindrücke hinterlassen als nur harte technische Fakten.

Alles in Butter?

Natürlich nicht! Gleich nach dem ersten Projekttreffen beendete ein Partner seine Mitarbeit. Seitdem arbeiteten die verbliebenen acht Partner zusammen. Eine schlanke Projektstruktur (eine Schule pro Land ist verantwortlich, andere Schulen und Einrichtungen in ihrem Land zu informieren) bedeutet, dass wenige VET-Einrichtungen viele andere erreichen sollen. Im Projekt wurde nur die Mobilität finanziert und keine Arbeitszeit. Die Arbeit wurde von den internationalen Experten mehr oder weniger privat und ehrenamtlich geleistet.
Den Projektverantwortlichen fiel die „dankbare“ Aufgabe zu, die Arbeit und Kommunikation in der Zeit zwischen den Projekttreffen (drei bis acht Monate) am Laufen zu halten und Berichte und Unterlagen einzufordern. Was während eines Treffens einfach aussah, kam zwei Wochen später zum Stillstand. Jede der beteiligten Personen hat einen Vollzeitjob und ist in die Alltagsarbeit eingebunden. Einmal mehr zeigte das Projekt EQ Wine: in innovativen Projekten trifft man stets sehr engagierte Menschen. Das sind meist diejenigen, die auch so schon mehr als genug Arbeit haben.

Visionen für 2020

Die Vision der Projektgruppe sieht so aus, dass ein Katalog an Trainingseinheiten der Ausbildungseinrichtungen in ganz Europa existiert. Einige Schulen haben dazu mehr, andere weniger beigetragen. Jede Einheit ist bis ins Detail ausgearbeitet; das umfasst die Dauer der jeweiligen Kurse, ihre Lernziele einschließlich der nötigen technischen Beschreibungen, Lernmethoden, Prüfungsaufgaben und Anzahl an Unterrichtseinheiten sowie notwendige Voraussetzungen wie EQF-Niveau und Zeitraum der Durchführung.
Es ist aber auch möglich, dass nur ein Teil einer Klasse ins Ausland geht: drei Länder könnten beispielsweise eine gemeinsame Übungseinheit in gemischten Klassen durchführen oder nur einzelne Studierende aus dem Ausland nehmen an bestimmten Kursen teil.
In jedem Fall wird damit die Grundidee von ECVET umgesetzt: die Mobilität in der beruflichen Bildung wird erhöht, Flexibilität ist garantiert und eine gegenseitige Anerkennung sichergestellt.